

Am 9.Januar 2018 um 18.00 Uhr wurde in der Leipziger Galerie "terra rossa" eine Solo-Ausstellung der Keramik-Künstlerin Dorothee Wenz eröffnet. Hier ein Auszug aus meiner Laudatio: ...
Ja, wir sind hier konfrontiert mit aussergewöhnlichen Kreaturen., mit vordergründig disparat wirkenden Schöpfungen aus einer Hand.
Gefäßkeramik steht neben
figurativen Werken - Abstraktion neben
Wesenhaftem -
Töpfe neben Gestalten!
Sie alle gehören
gleichermaßen zur großen Werkfamilie von Dorothee Wenz.
Zuerst erinnern die Oberflächen der Gefässe uns an Travertin, Terrazzo, Marmor und kostbare Achate. Die hohen Formen bieten großzügig Platz für die in Schichten gewachsenen Strukturen, deren dynamisches Eigenleben wundergleich von den präzisen Silhouetten eingefangen wird. Einander zugewandt, vertraut und verwandt, stehen sie zusammen. Organisch wächst und entfaltet sich Spannung über die gewölbte Wandung eines Gefäßes, zweier Gefäße, dreier Gefäße...einer Gruppe.
Mal im filigranen Echo von Linien und Wirbeln einer Holzmaserung gleichend.
Mal in kriechenden Lagen und wechselnden Verdichtungen spektakulärer Sedimentschichtungen.
Mal chaotisch wie die
abstrakten Farbformationen der Decollages eines Mimmo Rotella. ...
Der Betrachter wird zum Entdecker der Details dieser atemberaubenden Oberflächen. Die bauchigen Wölbungen der Gefäße überlassen der lebendigen Dramatik der Texturen die Bühne. Und bieten ihre Vollendung in der Berührung: sie wollen gestreichelt werden! Sie antworten der erst tastenden, dann überrascht liebkosenden Hand, mit haptischer Sensation, die bei einigen Objekten mit zauberhaft steinig-weichen Anmutung verblüfft.
Und die Figuren? Die daneben stehen? Sich unter die Besucher mischen?
Die Eselsköpfigen könnten wie Shakespeare's verzauberter Zettel im Sommernachtstraum sprechen: „... Des Menschen Auge hat's nicht gehört, des Menschen Ohr hat's nicht gesehen, des Menschen Hand kann's nicht schmecken, seine Zunge kann's nicht begreifen, und sein Herz nicht wiedersagen...“
Der von sich selbst eingenommene Zettel wurde opfer einer Intrige der Geisterwelt und ist vermutlich der einzige Eselsköpfige, den wir alle kennen. Der Eselskopf als Zeichen der Lächerlichkeit ist ein uralter Scherz, der sich seit der Römerzeit erhalten hat und als Schulspott erst in den letzten Jahrzehnten vergessen wurde.
Doch die Esels- wie auch
Schafsköpfe, Hasenköpfe und Fischköpfe bedienen, so beteuert die
Künstlerin, nicht diese Aspekte des Spotts. Dorothee Wenz nutzt die
geheimnisvolle Ausdruckskraft dieser Mischwesen lediglich, um unser
Empfinden wirksamer berühren zu können. Auf eine gleichzeitig
allgemeine und doch treffsichere Art, wie es ihr mit menschlichen
Figuren nie gelingen könnte.“Tiere“, sagt sie, „bieten etwas
ohne sich fest zu legen. Jeder verbindet eine andere, individuelle
Erfahrung und Bedeutung mit ihnen.“ Auch ihre tierköpfigen
Mischwesen lässt sie paar- oder gruppenweise auftreten. Dadurch
werden ihre Charaktere und Beziehungen individuell les- und
interpretierbar.
1995, zum Abschluss ihres Kunststudiums bei Professor Volker Ellwanger in Mainz, zeigte Dorothee Wenz in ihrer Examensarbeit eine Reihung von Paaren, die sich organisch von Gefäßpaaren zu figürlichen Paaren wandelten. Dieses Thema der Gegenüberstellung und der fließenden Übergänge ist bis heute von zentraler Bedeutung für ihr Werk.
Grundsätzlich kommt die
Künstlerin vom Gefäß, vom Volumen, vom umbauten Raum. Im Laufe
eines langen Entwicklungsprozesses ergab sich darüber hinaus ihre
Auffassung der Wesenhaftigkeit für beides, ja sogar eine
Sensibilität der Unterscheidung zwischen männlich und weiblich:
jedes Gefäß kann als plastische Figur und jede plastische Figur als
Gefäß verstanden werden.
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Galerie terra rossa, 09.01. bis 030.03.2018, Roßplatz 12, 04103 Leipzig Mo-Fr: 10 -18, Sa 11-15 Uhr
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Fotos: Schnuppe von Gwinner