

„Eine Tafel für Anna Amalia“ - Sonngard Marcks inszeniert ein sinnliches Mahl ohne Speisen in den historischen Räumen der Herzogin Philippine Charlotte im Schloss Wolfenbüttel. Zur Eröffnung am 5.September 2019 stellte ich den rund 200 Vernissage-Gästen die Künstlerin Sonngard Marcks vor:
Mit der Ausstellung „Eine Tafel für
Anna Amalia“ ( 6.9.2019 bis 06.01.2020) präsentiert das Schloss Museum Wolfenbüttel
erstmals Arbeiten einer zeitgenössischen Künstlerin in seinen
barocken Räumen. SM sind die historische Person Anna-Amalia
und die räumlichen Gegebenheiten Anregung und Inspiration zugleich.
Sie begibt sich auf die Suche nach einem Zauber, nach einer
Möglichkeit, sinnliche Reize als Mittel der Kommunikation zu nutzen
– Schönheit als Provokation und als gesellschaftlichen Diskurs.
Wir kennen SM als die Schöpferin
kostbarer keramischer Gefäße in einem traditionell anmutendem Look,
mit dem ab und zu die Fantasie durchgegangen ist. Da schiebt sich die
Tülle einer Teekanne wie ein Teleskop hinaus, der Griff einer
Mokkatasse mündet in der prallen Frucht einer Kirsche und der Deckel
einer Dose könnte sich jeden Moment zu einer Tulpenblüte
entblättern. Doch das ist noch nicht alles.
Diese formalen Eskapaden verbünden
sich mit eigenwilliger Fayencemalerei die, ebenso poetisch wie
naturgetreu, das in der Form Angelegte erst vervollkommnet. Ihre
pittoresken und formal hin und wieder, im amüsanten Sinne,
überkandidelten Dosen, Tassen, Teller, Vasen, Gefäße und Früchte
aller Art sind stilistisch unverkennbar.
Sie sind das Ergebnis einer äußerst
zeitintensiven Beschäftigung und der intensiven Lust, möglichst
viele künstlerische Ausdrucksmittel gleichzeitig in den Objekten
sichtbar zu machen.
Ihre Vorbilder findet sie in der Natur
und auf dem Marktstand einer Ökobäuerin, deren Kisten sie
regelmässig nach den schönsten Früchten der Saison durchsucht.
Besonders müssen diese sein, sich durch leichte Unvollkommenheiten,
einen unorthodoxen Keim, Runzeln, Faulstellen oder etwas Wurmfrass
auszeichnen. Die präzisen Portraits ihrer Eroberungen interessieren
sie, das Kostbare und Delikate mit dem sie ihre Wertschätzung
gegenüber der Natur ausdrückt und den Betrachter damit auf
Entdeckungstour schickt, ihn Aufmerksamkeit lehrt. Sicher auch
Respekt.
Vor den Geschenken der Natur und vor
ihrer Kunst, diese eigenwillig in Szene zu setzen. Und nicht zuletzt
rückt sie die alte, zauberhafte Fayence-Technik wieder in den Fokus.
Mit Umsicht und beherztem Schwung plant und realisiert sie ihre Werke. Am Anfang stehen die Gefässe aus rotem Ton, die sie selbst dreht und modelliert. Varianten von Kannen und Tellern, mal klassische, mal skulpturale Formen, die sie später als Malfläche interessieren. Nach einem ersten Brand werden die Gefässe in eine Glasur getaucht, deren geheimnisvolle Mischung aus Sand, Zinnoxid, Pottasche und Wasser den idealen Malgrund für die Keramiken ergibt. Es erfordert jedoch sehr viel Übung darauf zu malen, denn jeder Strich muss „sitzen“ da es keine rechte Korrekturmöglichkeit gibt. Der abschliessende Brand verschmilzt die Malerei mit dem Untergrund und verleiht der Fayence ihre charakteristische, strahlende Farbigkeit. Das stundenlange Malen ist, wie sie sagt, ihre liebste Beschäftigung. Konzentriert und ungestört ein Thema zu verfolgen, dem Motiv mehr als nur das Dekorative abverlangen und es in ideale Korrespondenz zur gewählten Form setzen.
SM
geniesst den Gegensatz und die Abwechslung, zwischen dem Raum
greifenden Arbeiten an der Drehscheibe und in der Fläche, auf die
sie im Anschluss malt. Die dialektische Beziehung zwischen den
verschiedenen Arbeitsgebieten inspiriert sie sehr.
Als
Ausgangspunkt dienen ihr Zeichnungen, Ideen, skurrile Geschichten und
das Naturstudium, seit Jahrzehnten in Skizzenbüchern gesammelt.
Fleissig und diszipliniert, wie sie selber sagt, „denn das muss
sitzen wie eine Vokabel. Mit einer Linie Volumen erfassen und
beschreiben, wie eine Pflanze `tickt´, welche Struktur und
Sinnlichkeit sie ausmacht.“ Die Systematik von Blumen und
Gewächsen, die Verwandtschaften natürlich gewachsener Formen sind
subtil aber offensichtlich.
Im Laufe der
letzten Jahre finden zunehmend die unterschiedlichsten Insekten
Eingang in ihr Werk. Sie setzen sich als fette Brummer auf eine
morbide Frucht, krabbeln emsig durch die Schnörkelei üppiger
Ranken, huschen durch dekoratives Blattwerk oder tanzen als
zauberhafte Falter und Schmetterlinge über die glasierten Flächen.
Die zarte Transparenz ihrer Zeichnung und nuancierte Farbigkeit der
Malerei schöpft ihre Sensation aus der einzigartigen, virtuosen
Verbindung von technischem und künstlerischem Knowhow. SM
liebt das Subtile, Feinsinnige und sie ist absolute Meisterin in
seiner Darstellung.
Gelernt, und zwischendurch auch mal
wieder etwas „vergessen“, hat Sonngard Marcks ihre Kunst an der
renommierten „Burg“. Von 1979 bis 1986 studierte sie dort, an der
Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein in
Halle, bei den renommierten Professoren Gertraud Möhwald und
Martin Wetzel, sowie Heidi Manthey und Lothar Sell.
Die Zeit und die Umstände ihrer Ausbildung, sowie die Beziehung zu
ihren Lehrern, hat sie zutiefst geprägt. Es war eher der Zufall der
ihr das Studium an der Burg ermöglichte, denn die Option eines
künstlerischen Werdegangs schien ihr nicht in die Wiege gelegt. Es
wurde zur Konfrontation mit einer faszinierenden neuen Welt.
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© Schnuppe von Gwinner 09/2019
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